"Kill Your Darlings" ist ein Film über das Brechen von Konventionen, der Befreiung aus unaufhörlicher Monotonie und über die Rebellion gegen alte, eingestaubte Traditionen und falsche Ideale. Ganz nebenbei erzählt der Film von John Krokidas von der Entstehung der einflussreichsten Literaturbewegung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: der US-amerikanischen Beat Generation. Deren Ursprung liegt in der Hand dreier Männer mit einer neuen Vision: Jack Kerouac, William S. Burroughs und Allen Ginsberg. Die drei Autoren lernen sich 1943 in New York an der Columbia University kennen - neun Jahre später veröffentlicht die New York Times bereits John Clellon Holmes Manifest "This is the beat generation".
1943 beginnt auch auch die ekstatische Reise des Films, der aus der Sicht von Allen Ginsberg von Szene zu Szene mehr in das Lebensgefühl und Gedankenkonstrukt der jungen Gruppe von Autoren, die bis dahin noch kein einziges bedeutendes Gedicht verfasst haben, einführt. Ginsberg hat sich gerade neu an der Universität eingeschrieben und kommt schnell mit Lucien Carr in Kontakt, der dessen Aufmerksamkeit nicht nur wegen seines aufrührerischen Verhaltens auf sich zieht. Durch Carr wird er mit der Idee des irischen Schriftstellers William Butler Yeats' vertraut, der das Leben als einen ewigen Kreislauf begriff, aus dem man nur mit besonderen Mitteln ausbrechen könne - woraufhin beide kurzerhand nebeneinander mit der Schlinge um den Hals von der Decke baumeln und danach lachend auf dem Boden liegen. Der erste Schritt ist getan, von nun an arbeitet der Kreis rund um Ginsberg, Carr, Burroughs und Kerouac an der Umsetzung eines literarischen Programms und bedient sich dabei nicht nur Alkohol und bewusstseinserweiternden Drogen, sondern auch der durch Ginsberg und Burroughs erfundenen "Cut-Up"-Technik, bei der Erzählungen in beliebig viele Einzelteile zerschnitten werden und anschließend beinahe wahllos wieder zusammengesetzt werden - wodurch neue Lesarten und Interpretationsansätze ein und desselben Werkes entstehen. Zentral für die "Beatniks" ist das Loslösen und Zerstören von verstaubter Regelpoetik und das Ergründen neuer, dichterischer Möglichkeiten, die abseits von Metrum, Reim und Co. liegen.
Ginsberg findet dank seiner neuen Verbündeten, die erstmals in seinem Leben genauso anders sind wie er selbst, und der Trips durch den nächtlichen Untergrund zu sich selbst, zur Homosexualität und dem literarischen Potenzial, das in ihm steckt und er fortan in progressive, derbe und als damals obszön wahrgenommene Gedichte stecken wird.
via hollywoodreporter.com
“I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving hysterical naked, dragging themselves through the negro streets at dawn looking for an angry fix angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly connection to the starry dynamo in the machinery of the night." Diese Worte bilden den Anfang von Ginsbergs erfolgreichstem Gedicht "HOWL", das er 1956 schreiben würde. Außerdem sind die Ausdruck dessen, was auch Ginsberg, Burroughs und Kerouac im Film Tag für Tag und Nacht für Nacht mitmachen. Der exzessive Lebensstil bleibt natürlich nicht ohne Folgen und bald trennt ein Mord die Wege der Vier. Der ist auch der Grund dafür, dass in der Geschichte der Beat Generation ("beat" wird übrigens mit "müde", "heruntergekommen", aber durch Kerouac auch mit "euphorisch" und "seligmachend" konnotiert) und den Widmungen von Ginsbergs "HOWL" oder Burroughs Roman "Naked Lunch" nie die Rede von Lucien Carr sein würde.
Wie, was und warum genau soll an dieser Stelle offen bleiben. Stattdessen lege ich euch nachdrücklich ans Herz, euch umgehend "Kill Your Darlings" zu Gemüte zu führen. Die phantastischen Darsteller Daniel Radcliffe (Allen Ginsberg), Dane DeHaan (Lucien Carr), Ben Foster (William S. Burroughs) und Jack Huston (Jack Kerouac) stecken an mit ihrem Spirit aus Lebenslust, Unkonventionalität, Mut und Provokation. Gerade erstere beiden Protagonisten sorgen zusätzlich für permanente rosarot-verliebte "Hach"-Momente. Außerdem ist der Film mit seinen großartigen Kostümen und dem tollen Styling der 40er Jahre einmal mehr Beweis dafür, dass wir alle in der falschen Zeit leben. Anzüge für die Herren und Kaltwelle für die Damen - warum sind wir eigentlich davon abgekommen?