Das zweite Album nach einem grandiosen Debüt treibt Musikern ja bekanntermaßen den Schweiß ins Gesicht. Kein Wunder - denn wie könnte man ein perfektes Erstlingswerk, für das ein Künstler mit Lob und Anerkennung überschüttet worden ist, denn je selbst übertreffen? Entweder, man bewegt sich stylistisch weiter auf den alten Pfaden und wird noch tausende Male besser oder man orientiert sich neu, wird erwachsen. Erstere Variante ist quasi unmöglich und ich kenne fast keinen, der diesen Weg erfolgreich beschritten hat. Sich an sich selbst messen zu müssen, ist doch so eine Sache, die ich niemandem wünsche. Darum empfiehlt sich Variante Numero Zwei, welche für sich genommen ebenfalls nicht leicht ist, könnte man immerhin seine Fans enttäuschen, sich selbst nicht treu bleiben oder oder oder. Mit solchen Problemen mussten sich bereits The XX, Florence and the Machine und The Knife herumschlagen. Auch James Blake hatte dieses Hindernis zu bewältigen. Und das hat er.
Wie hat er das angestellt? Nun, er hat sich weiterentwickelt. Während sein Debüt "James Blake" noch sehr vom Zusammenspiel von Post-Dubstep und seinen Singer/Songwriter-Qualitäten geprägt war und an manchen Stellen doch stark experimentell und anstrengend, ist das neue Werk dagegen beinahe ruhig und "leise". Zugänglicher eben, direkt auf den ersten Ton. Obwohl dieser mit "Overgrown", dem Titelsong des Albums, dem Vorgänger doch noch am nähesten kommt.
Song für Song bewegt sich die Platte weiter weg von dem, was er davor gemacht hat, und wird offener für andere Musikrichtungen. So hat er sich für den vierten Song RZA dazu geholt, der in "Take A Fall For Me" direkt einen sauberen Rap hinlegt. Auch als nicht-so-übergroßer-Rap-Fan muss ich sagen: Klingt gelungen, was man da hört. Für Blake selbst war es gar nicht so abwegig, einen Schritt in Richtung Hip Hop zu wagen, ist doch der britische Dubstep recht stark vom Dub und Südstaaten-Hip Hop beeinflusst. Der zweite Künstler, mit dem Blake gemeinsame Sache auf der neuen Platte gemacht hat, ist kein geringerer als Brian Eno, der Gott des Ambient. "Digital Lion" klingt darum auch am wenigsten nach dem "typischen" Blake'schen Sound. Die beiden vorletzten Songs warten dann vor allem mit housigen Elementen auf, während "Our Love Comes Back" das Ganze dann langsam und deep mit Fokus auf dem Gesang abrundet und sich damit beinahe wieder an den Opener "Overgrown" heranspielt. Alles in allem eine wirklich runde Sache und ein zweites Album, dass die Erwartungen überraschen mag, aber dennoch vollstens erfüllt.