Liebe, Liebe, Liebe! Wo man im Anschluss an die Show von Vladimir Karaleev hinhörte, vernahm man derlei Begeisterungsstürme. Allein meine Instagram-Timeline verzeichnete 5 Minuten nachdem der letzte Look über den Catwalk flaniert war, eine Inflation an Herzen und Liebesbekundungen. Und auch wir geben zu, wenn Karaleev präsentiert, haben wir bereits Stunden zuvor Schmetterlinge im Bauch.
Doch was ist es eigentlich, was uns alle so kollektiv ins Schwärmen geraten lässt. Was macht der große, zurückhaltende Herr mit dem charmanten Lächeln so viel anders, als seine Kollegen? Nun ja, eine direkte Antwort haben wir eigentlich auch nicht. Schließlich sind Gefühlsbekundungen immer auch eine subjektive Sache, sodass nur weil wir glauben etwas Bestimmtes hineinzulesen, wir damit nicht automatisch für die breite Masse sprechen.
Doch versuchen wir wenigstens einmal eine Annäherung: Fest steht, Karaleev gehört zu jenen im Berliner Modetrubel, deren Design eine eigene, deutlich markante Handschrift trägt. Das hat ihn auch bereits über die Grenzen des Landes bekannt gemacht. Statt seine Looks auf dem Papier zu erarbeiten, kommt bei ihm die Puppe zum Einsatz, an der er direkt drappiert. Immer mit dem Anspruch der Perfektion bewusst den Anschein des Unfertigen entgegenzusetzen. Nicht umsonst habe ich Karaleev vor einer Weile schon einmal als Herrn der offenen Säume bezeichnet. Durch die verhältnismäßige spontane Arbeitsweise, erscheinen die Stücke seiner Kollektionen schließlich beinahe organisch, fast so, als wären sie gewachsen, statt bewusst konstruiert. Und trotzdem glaube ich nicht, dass der Designer am Ende auch nur einen Handgriff dem Zufall überlässt.
Mit seiner Kollektion für den kommenden Herbst/Winter bleibt Karaleev sich treu. Unter dem Titel „Super Position“ präsentiert er uns cleane, auf den ersten Blick unaufgeregte Looks, deren Besonderheit sich jeweils im Detail entfaltet. Materialmixe treffen auf Assymmetrien und Layering in Perfektion. Die Schnitte umschmeicheln die Silhouette, bleiben dabei aber trotzdem lässig und erschaffen damit das für Karaleev so typische Spiel zwischen Verhüllen und Entblößen. Ähnlich geradlinig verläuft die Wahl der Farben. Karaleev arbeitet stets mehr mit gedekcten Tönen wie Weiß, Grau, Taupe oder Schwarz und setzt diesen gezielt knallige Akzente in den Konträrfarben Rot und Blau – genauer gesagt, leuchtendem Yves-Klein-Blau – entgegen.
Für Lola und mich hätte der persönliche Abschluss der Fashion Week nicht besser aussehen können. Mit dieser Präsentation als letzter Show auf dem Plan, konnten wir nur mit einem guten Gefühl nach Leipzig zurückfahren. Wir sind uns einig, dass Vladimir Karaleev zusammen mit Malaikaraiss die besten Kollektion der Berliner Modewoche gezeigt hat. Wir knicksen angesichts dieses wunderbaren Zusammenbringens von vermeintlichen Gegensätzen zu einer harmonischen, in sich stimmigen Einheit.