Das Revival der 90er begleitet uns nun schon seit längerem und scheint auch im kommenden Winter noch längst nicht am Ende zu sein. Bei Weekday, der kleinen H&M-Schwester, hat man sich jetzt an den Grunge gewagt und präsentiert uns eine Kollektion, die sich stilistisch an die Tradition von Nirvana, Kurt Cobain und Co. anlehnt. Doch wer jetzt denkt, krame ich doch mal mein olles Holzfellerhemd und meine zerschlissenen Jeans aus dem Schrank, der sollte besser zwei Mal hinschauen. „Sophisticated Street Grunge“ ist nämlich nicht nur eine reine Wiederauflage des Looks der einst so gefeierten Subkultur. Ganz im Gegenteil: Alternativ ist jetzt modisch und da heißt es Klotzen statt Kleckern. Der Neo-Grunge kommt in Gelb, Neongrün, Rot, Pink und Violett nicht nur ganz schön knallig daher, irgendwie erinnern viele Einzelstücke gleichzeitig doch auch sehr an diverse Raverlooks der frühen Loveparade – oder wo würdet ihr Netztops und Oberteile mit Schimmerpartikeln einordnen?
Zugegeben, ein wenig tue ich mir schwer mit dieser Kollektion. So verzückt ich von manchem Einzelelement sein mag, so sehr stört mich doch die Headline unter der das Ganze läuft. Grunge ist in den 90ern nun einmal jene musikalische und soziale Gegenkultur zum die Oberfläche zelebrierenden Mainstream Pop gewesen. Seine Anhänger hat das Schmuddelige, das Abgründige und all die anderen Dinge, die sich hinter der heilen Fassade tummeln, gereizt. Von der inneren Zerissenheit und Abneigung gegenüber konventionellen, vorstrukturierten Lebensentwürfen gar nicht erst zu sprechen. Und auch wenn Grunge eine Zeit lang ziemlich populär war, wollte es das aber eigentlich doch nie so wirklich sein. Wenn wir jetzt also 2013 diese Subkultur als Stil wieder aufleben lassen und mit Elementen vermischen, die zu seinem eigentlichen Wesen irgendwie so gar nicht passen wollen, versuchen wir sie schon wieder in ein Korsett zu zwängen, in das sie einfach nicht passt. Und wir gehen noch weiter. Denn der Neo-Grunge beschränkt sich ohnehin nur auf das Optische. Die Musik und die Lebenseinstellung dahinter wird munter ausgeklammert.
Ja, vielleicht stelle ich mich an und erkenne nicht die vermeintliche Hommage, die hinter der Grunge-Neuauflage steht. Aber irgendwie lässt mich das Gefühl nicht los, dass hier wieder einmal ein so typischer Aspekt unserer Zeit abzeichnet. Vor allem modisch geht es uns heute oft doch nur noch um den äußeren Stil. Die gekonnte Inszenierung ist uns wichtiger als die echte Überzeugung. In einer Gegenwart, in der Subkultur und kreatives Schaffen nur ein paar Mausklicks entfernt sind, glauben wir schnell so ziemlich über alles Bescheid zu wissen. Außerdem haben wir ohnehin kaum noch richtig Zeit, uns auf die Dinge einzulassen. Wir beschränken uns also auf das, was uns als erstes entgegen springt, die oberflächlichen Codes. Versuchen wir dabei, alles auch noch unserer glattgebügelten Medienästhetik anzupassen, kommt es am Ende unweigerlich zur Domestizierung von Stilen wie dem Grunge. Eingebettet in die Strukturen des Mainstreams erscheint die ehemalige Gegenkultur so eigentlich doch mehr wie eine Farce. Hübsch anzusehen, mehr aber auch nicht. Abgrenzung und Revolte wandert stilvoll verpackt über den Ladentisch. Der tatsächliche Inhalt tritt hinter dem reinen Konsum zurück.
Das ist schade und lässt mich diese Kollektion mit einem etwas schalen Beigeschmack betrachten. Sicher, Mode sollte Spaß machen, aber sie sollte doch auch irgendwie ihren Ursprung respektieren.