Es gibt da eine Sache, die in mir immer wieder Unverständnis, blankes Entsetzen, Widerwillen und akuten Augenkrebs auslöst, wenn sie mir auf den Straßen begegnet. Eigentlich sollte man beim Anblick dieses schlimmsten modischen Fauxpas, der erwachsene Frauen von jetzt auf gleich in das Kindergartenalter zurückversetzt, in schallendes Gelächter ausbrechen - allerdings erweckt dieser Ausdruck eines nicht vorhandenen Stilbewusstseins eher eine tiefsitzende Traurigkeit und Resignation in mir. Mal im Ernst, wer hat eigentlich diese Schnappsidee in die Welt gesetzt, dass man Leggings auch als Hosen tragen könne? Dass ein kurz geschnittenes Oberteil ausreiche und man stolz aller Welt sein Hinterteil präsentieren könne, das lediglich von einer dünnen Schicht Stoff umhüllt ist?
Leggings sind keine Hosen im klassischen Sinne. Dazu fehlen ihnen schlichtweg allerlei Merkmale: dicker Stoff, die Öffnung zur Einstiegserleichterung, auch "Hosenstall" genannt, Taschen auf Vorder- und Rückseite sowie zahlreiche Nähte. Gut, nun werden einige Schlaumeier sagen, dass es doch viele Modelle in der Riege der Leggings gibt, die diese Merkmale erfüllen. Und genauso gut Hosen, die einige Merkmale nicht besitzen. Darüber habe ich mir natürlich auch mein kluges Köpflein zerbrochen und die passende Antwort zurechtgelegt: Der kleine, aber feine Unterschied liegt im Stoff. Der Stoff einer enganliegenden Hose ist vollkommen blickdicht, robust und dick. Der einer Leggings hingegen dünn und dafür konzipiert, dass er noch unter ein langes Oberteil gezogen werden kann, ohne aufzutragen.
Worauf ich hinaus möchte: Jeder erkennt im Grunde, ob es eine Hose oder Leggings ist. Warum dann also eine Leggings wie eine Hose behandeln? Die der Leggings nicht innewohnenden Kennzeichnen einer Hose verbieten dies immerhin im selben Atemzug. Der Stoff einer Leggings ist obendrein zu instabil, um solch sensiblen Stellen wie Unterleib und Popo eine vorteilhafte Form zu verleihen. Die Naht, die bei den meisten Modellen direkt auf der Rückansicht verläuft und den formschönen "Kamelfuß" auf der Vorderseite lassen wir am besten direkt außen vor. Ganz abgesehen davon, dass euer Hintern nicht unbedingt schöner wird, wenn er von schlabbriger Baumwolle umspielt wird.
Was nun aber meinen Gram seit geraumer Zeit immer größer werden lässt, ist die Tatsache, dass ich das Phänomen der "Leggings als Hosen" immer öfter zu Gesicht bekomme. Ein Phänomen, das alle Alters- und Gewichtsklassen durchzieht. Wunderschöne, schlanke und attraktive Damen verschandeln damit einfach so mit Fingerschnipps ihr Antlitz und machen sich zu uninteressanten Mädchen, die keine Ahnung von Kleidung zu haben scheinen. Denn dies ist keine Frage der Figur, wirklich nicht. Ob dick oder dünn, jeder Arsch erinnert nur in Leggings präsentiert an Kindergartenkinderpopos oder schlechte Gymnastik-Videos. Ergo: Ihr seht unsäglich doof darin aus. Um ehrlich zu sein richtig peinlich.
Ich selbst ertappe mich immer wieder dabei, wie ich in hartnäckiges Fremdschämen verfalle, wenn solch eine Erscheinung mein Blickfeld durchkreuzt. Nicht nur über das Hinterteil selbst. Nein - es ist vielmehr die Gesamtsituation, die mich dazu treibt: Frauen, die scheinbar nicht nachdenken, sondern blind Modeketten wie H&M, Urban Outfitters und Co. vertrauen, die ihren Models sehr wohl Leggings als Hosen anziehen. Was die geneigte Betrachterin zu vergessen scheint: Dabei handelt es sich um Bilder, die dem Verkauf der Leggings dienen, welche die Käuferin vorher natürlich vollkommen in Augenschein nehmen möchte. Deswegen kombinieren alle Manneqins kurze Oberteile dazu oder stecken es direkt rein. Welche Frau würde schon eine Leggings kaufen, deren Bund sie nicht gesehen hat? Es handelt sich dabei also um ein Ansichtsbild, nicht um einen Tragevorschlag. Was mich im Übrigen an den Serviervorschlag von Käsesalat und Schinkenwurst denken lässt, der auf alle Verpackungen vorn aufgemalt ist. Da wir uns hier allerdings nicht im Bereich der leicht verderblichen Lebensmittel bewegen, ist dieser Vergleich so überflüssig und fehl am Platz wie euer Hintern unbedeckt in einer Leggings. Ausgefallene Stoffhaptiken wie Samt oder Leder machen das alles auch nicht besser.
Die einzigen Leute, welche die Berechtigung dazu haben, Leggings als Hosen zu tragen, sind Künstler während einer spektakulären Bühnenshow und Mitarbeiterinnen von American Apparel während der Arbeit. Ausnahmen bestätigen ja auch die Regel. Wie trägt man Leggings also dann? Nun, T-Shirt, Bluse, Pullover oder Kleid sollten euren Popo verdecken, ebenso wie alles auf der Vorderseite. Und das nicht zu knapp, denn sonst kommen wir in die Bredouille. Das mit den Leggings unter den Shorts oder dem Rock lasst ihr am besten auch sein und nehmt stattdessen eine Strumpfhose. Was ebenfalls ein No-Go ist: Leggings in Dreiviertellänge - das hackt optisch euer Bein ab, macht euch kleiner und verwandelt dicke wie dünne Waden in Fußballerprachtexemplare. Und das will doch niemand von uns, oder? Und überhaupt, schreibt euch das gefälligst ein für alle Mal alle hinter die Ohren: Leggings sind keine Hosen.