Seit einigen Wochen nun kann man in Berlin überdimensionierte Portraits an Häuserfassaden bestaunen. Was man sieht sind: Alte Menschen! "The Wrinkles of the City“ nennt sich das Ganze. Ausgedacht von dem französische Streetart-Künstler JR. Hierzu wurden Fotografien auf meterlange Papierbahnen gebannt und auf Hauswände, Brücken und Türme geklebt – einmal als ganze Figur, einmal in riesigen Ausschnitten.
Ohne jetzt explizit auf Künstler und Werk eingehen zu wollen, bin ich vielmehr dazu geneigt das zu schreiben, was die Bilder beim Betrachten mit mir gemacht haben.
Zwangsläufig habe ich mich, beim erstmaligen Sehen der Portraits, gefragt, in was für einer Zeit wir leben, in der man alte Gesichter als erfrischend und gleichzeitig irritierend empfindet. Man diese Köpfe wie Geister aus vergangenen Zeiten betrachtet und einem Gedanken wie "Anarchie der Alten" oder "ein letztes Aufbäumen" in den Sinn kommen. Doch warum ist das so? Dazu muss man wissen, dass sich mein Leben größtenteils im Prenzlauer Berg abspielt. Ein Bezirk in dem man viel zu sehen bekommt. Vor allem Schwangere, Kinderwägen, verzogene Kinder und nochmals Kinderwägen. Und dann ist hier auch alles noch so schön vital, spannend und restauriert! Was allerdings Seltenheitswert hat, sind alte Menschen, für die dieser Bezirk vielmehr ist als schicker Wohnraum, sondern schlichtweg Heimat bedeutet. Und wenn man dann mal einen Älteren zu Gesicht bekommt, ist das fast schon irritierend schön. Der Prenzlauer Berg ist vieles, jedoch kein durchmischter Stadtteil, in der sich Bestehendes und Neues respektieren. Grade deshalb empfand ich auch die "Wrinkes of the City" als richtige Message, passend zum Zeitgeist. Ich fühlte mich verstanden.
Doch ist dem auch so? Sind Künstlermeinung und persönliche Ansicht konform? Kurz gegoogelt und gefunden. Die begleitende Galerie Springmann gibt wie folgt wieder: „Es geht JR darum, Menschen zu zeigen, die schon lange mit der Stadt verbunden sind.“ Aha. Irgendwie etwas platt und auch enttäuschend, wie ich finde. Insbesondere in einer Stadt wie Berlin, in der die Gentrifizierung mittlerweile eigenartige Blüten trägt und die Verbundenheit älterer Menschen, zu besagtem Stadtteil, wohl nur noch aus der Erinnerung gespeist wird. Aber wie immer ist Kunst auch Interpretationssache – womit man Leben muss.
Und was bleibt, ist demnach auch nicht viel. Immerhin: Die Zerbrechlichkeit der Bilder bilden eine morbide Analogie zur Realität. Die Bilder der Alten – Sie verschwinden allmählich.