"In nur einem Jahrzehnt hat sich Berlin auf die Weltkarte der Mode zurückgekämpft." So fällt der nüchterne Befund von Alfons Kaiser aus, der zu Beginn von Berlin Fashion zu Wort kommt. Und nicht nur der Moderedakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung liefert mit seinem Beitrag ein Puzzlestück zum vielschichtigen Phänomen Berliner Mode, sondern auch andere prägende Gesichter der Berliner Modeszene werden in diesem hochaktuellen und liebevoll gestalteten Journal der Modejournalistin Julia Stelzner vorgestellt. 25 Labels und 15 einflussreiche Einkäufer, Modeblogger und Stilpersönlichkeiten finden sich auf den 191 Seiten und werden zu verschiedenen Themen und dem eigenen Look befragt. Dazu gibt es verschiedene, überaus interessante Texte namhafter Journalisten, die u.a. über die Modegeschichte der Metropole, kulturelle Einflüsse und die Unterstützung durch den Berliner Senat berichten. Als Belohnung für die Lektüre schließt das Buch mit einem kleinen, aber feinen Shopping Guide ab.
Damit gelingt Berlin Fashion ein modischer Rundumschlag, der ein gelungenes Portrait von Berlin als Modestadt abgibt. Alteingesessene, aber auch Newcomer-Labels der Stunde wie Lala Berlin, Hien Le, Vladimir Karaleev, Malaikaraiss, Achtland, Blame, Michael Sontag, Sissi Goetze, Issever Bahri und Sabrina Dehoff sorgen für "Oh"'s und "Ja"'s, Berliner Modemenschen wie Jessica Weiß (Journelles), Herbert Hofmann (Voo Store), Marlene Sørensen (freie Modejournalistin) und Christiane Bördner (I Love You Magazine) geben einen Einblick in ihren Kleiderschrank und ihr Stilverständnis. Texte von Franziska Klün, Lisa Strunz und Nicole Urbschat uvw. komplettieren diese Ode an die Modefreude und befinden: Berlin muss sich nicht (länger) für seine Mode verstecken, sich klein machen, wenn es um den internationalen Vergleich geht und demütig anderen über die Schulter sehen.
Seit der ersten eigenen Fashion Week und dem Zuzug von Bread & Butter und Premium hat sich der kleine Edelstein in der Reihe der Modemetropolen gemacht, eckt immer noch hier und da an, ist unperfekt und unter dem Staub des quasi nicht vorhandenen, deutschen Bewusstseins für Mode verborgen. Dennoch hat sich hier fast unbemerkt eine integere Modebranche entwickelt, die international ohne Zweifel mithalten und sogar überragen kann. Dazu fehlt es einzig noch an der Anerkennung der Mode als das, was sie ist: Ausdruck gesellschaftlichen Selbstverständnisses. Die fälschliche Annahme, Mode sei Oberflächlichkeit, Narzissmus und Blasiertheit, gehört endlich abgeworfen. Wir sollten uns endlich frei davon machen und zeigen, dass wir Deutschen genauso bewusst und lässig mit dem Thema umgehen können wie unsere Nachbarn. Dieses Buch beweist, dass das durchaus geht. Darum Brust geschwellt, wir können uns wirklich sehen lassen.