Ich inszeniere also bin ich

laura
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gossip
Instagram, Facebook und ich.

Instagram goes Video. Eine Nachricht, die vergangene Woche für Trubel und überschäumende Aufmerksamkeit im Netz gesorgt hat. Der bisherige Konkurrent Vine sollte sich damit wohl warm anziehen. Doch die unternehmerische Sicht auf dieses Thema und den Kampf um Monopolstellungen im Social Web wollen wir an dieser Stelle einmal ausblenden. Seit dem Launch der Videofunktion tummeln sich jedenfalls auf unzähligen Profilen der wohl weltweit größten Bilder-Sharing-App Unmengen kleiner Clips, die das Leben ihrer Nutzer noch einmal ganzes Stück plastischer machen. Ein nettes Gimmick ist das. Instagram öffnen, Kamera anwählen, Filmchen drehen, einen hübschen Filter drüber gepackt, dazu ein kleiner Kommentar, das Resultat gepostet und schon kann man die Welt an seinem persönlichen Spielfilm teilhaben lassen. Homemovie als App, so könnte man es nennen.


Doch stellt sich die Frage, was es uns eigentlich bringt, den Alltag im Bewegtbild festzuhalten und anderen zu präsentieren? Reicht uns der einfache Schnappschuss etwa nicht mehr aus? Und was heißt das eigentlich für uns persönlich, wenn wir ab jetzt noch einen weiteren Grund haben, unser Leben durch die Linse zu betrachten? 

 

Fest steht zunächst einmal: Das Internet hat, wie kein anderes Medium, ein Gefühl permanenter Verfügbarkeit geschaffen. Wir sind online, praktisch 24/7. Unser Smartphone haben wir immer in der Tasche, denn schließlich wollen wir auch unterwegs so gut wie möglich auf dem Laufenden sein. Facebook, Instagram, E-Mails, Twitter, Whatsapp, dazu klassische SMS und, achja fast vergessen, die traditionelle Anruffunktion: Wir sind immer für alle überall erreichbar. Abwesenheit, das ist für uns ein Fremdwort, dessen Bedeutung so mancher inzwischen wohl im Lexikon nachschlagen müsste. Und wenn wir das Web und all die kleinen Gadgets schon tagtäglich in der Hosentasche mit uns herumtragen können, wieso sollten wir sie dann eigentlich nicht auch nutzen? Wir wechseln also von der rein passiven Verfügbarkeit in einen Modus der aktiven Präsentation und lassen unsere Umwelt ausgiebig an unserem Leben teilhaben. Um ehrlich zu sein - wir posten was das Zeug hält. Einen Kommentar, wo wir gerade sind und was wir gerade machen. Schnell noch via Ortungsfunktion alles markiert und alle, die dabei sind, getagged. Damit das Ganze etwas plastischer wird, noch ein hübsches Bildchen dazu und seit Neuestem eben auch ein Video. Es scheint, als haben wir endlich einen Weg gefunden, unsere 15 Minuten Ruhm, die Andy Warhol einem jeden von uns in den wilden 60ern versprochen hat, in die Tat umzusetzen. Profile mit vielen Followern sind die Stars der Szene und oft auch darüber hinaus. Über jeden netten Kommentar freuen wir uns wie bolle und manchmal, wenn wir glauben, etwas ganz Tolles & Spannendes gepostet zu haben, ertappen wir uns dabei, wie wir im Minutentakt checken, ob wir dafür ein neues Like oder einen neuen Kommentar ernten. Das ist seit jeher das Wesen des Menschen, so scheint es. Geschichte und Literatur haben immer wieder gezeigt, dass wir nach Anerkennung streben. Wir wollen uns akzeptiert fühlen und am großen Ganzen teilhaben. Das ist beim besten Willen auch nicht falsch. Wir sind Lebewesen, die das Soziale, die Gruppe benötigen. Einsamkeit macht uns krank, das ist wissenschaftlich erwiesen. Doch ist es dann automatisch besser, immer von anderen umgeben zu sein? Brauchen wir Ruhe und Zeit für uns selbst denn nicht manchmal, um unsere Akkus aufzuladen oder, um uns einfach einmal mit uns selbst auseinanderzusetzen?


Können wir überhaupt noch privat sein? Denn irgendwie ist es doch so: Wenn ich jeden Kaffee, den ich trinke, jeden Schritt, den ich gehe oder jedes Essen, das ich genieße, mit der Außenwelt teile, gebe ich damit doch jedes Mal auch gleichzeitig ein weiteres Stückchen meiner eigenen Intimsphäre auf. Ich werde öffentlich und meine Person mehr und mehr zu einem stilisierten Image. Wir setzen uns ins rechte Licht, präsentieren Dinge bewusst auf eine bestimmte Art und Weise. Eine tolle Kolumne hat auch Cloudy von LesMads vor Kurzem dazu verfasst. Inszenierung, so lautet das Paradigma unserer Zeit. Das Visuelle, die Bilder sind dabei eines der wichtigsten Kriterien. Nur laufen wir mit unserer permanenten Selbstdarstellung und dem Druck, für alle anderen da zu sein, am Ende vielleicht Gefahr uns selbst zu verlieren? Es scheint fast so, als hätten unsere weit entfernten Vorfahren mit der Angst, dass die Kamera mit jedem Foto ein Teil unserer Seele einfange, Recht gehabt. Denn auf je mehr Bildern wir erscheinen, desto weniger scheint von uns in der Realität oft übrig zu bleiben. Und mal ehrlich, jemand, der wirklich lebt, wird wohl kaum Zeit und Muße haben, sein Facebook-Profil bis ins letzte Detail perfekt auszufeilen. Der schöne Schein ist eben nicht alles. Das Konzert der Lieblingsband ist durch das Display des eigenen Handys betrachtet nicht einmal mehr halb so schön, wie die unmittelbare Wahrnehmung durch die eigenen Augen. Mein Essen wird in der Zeit, die ich brauche, um es auf Instagram besonders kunstvoll zu inszenieren wahrscheinlich kalt und jedes Foto, mit dem ich das Event, auf dem ich gerade bin, dokumentiere, nimmt mir die Chance von einem vielleicht sehr anregenden Gespräch mit den anderen Anwesenden.

 


Versteht mich nicht falsch, das Netz, und vor allem das mobile, ist inzwischen ein fester Teil unserer Gesellschaft. Wir alle stecken zu einem gewissen Teil im Zahnrad des Onlineseins. Und auch ich habe in nächster Zeit nicht vor, mich bei Instagram, Facebook und Co. zu löschen. Denn schließlich ist bei all dem auch immer ein wenig Spaß dabei. Doch sollte die Posterei das eben in erster Linie auch sein. Ein Spaß, weil wir gerade jetzt in diesem Augenblick finden, dass es etwas wert ist, geteilt zu werden. Wenn wir den Zwang entwickeln, alles zu zeigen, in dem Moment, in dem es geschieht, nehmen wir uns nicht nur die Möglichkeit im Nachhinein anderen in einem tollen Gespräch davon zu berichten und das alles selbst noch einmal zu erleben. Viel mehr laufen wir Gefahr, dass wir das Geschehen um uns herum von Anfang an mit einer Distanz wahrnehmen, die am Ende jegliches Gefühl des Besonderen tilgt. Kurzum: Wir könnten unser eigenes Leben verpassen.

 

    AUTHOR:
    LAURA SODANO

    Lebe lieber ungewöhnlich.

    Mode. (Pop-)Kultur. Feminismus. Was für die einen nach Schizophrenie par Exellence klingen mag, ist für sie selbstverständlich. Die Dame, die mindestens so gerne und schnell redet, wie sie denkt, sprudelt nur so vor kreativem Kopfchaos, von dem ihr Umfeld selten verschont bleibt. Sprache ist ihr Medium. Das nuancierte Spiel mit pointierter Artikulation ihre Waffe. Schokolade ihr Laster. Bei Mode und Literatur setzt ihr Verstand nur zu gerne aus.