Bookwatch: E. Rank - Bist du noch wach?

laura
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Die Zeit verändert alles.

Veränderungen sind ein grundlegender Bestandteil unseres Lebens, ob wir wollen oder nicht. Wir werden erwachsen, Freunde kommen und gehen und irgendwie ploppt die Frage, ob wir mit unserem Leben bis hierher eigentlich zufrieden sind, mit jeder weiteren Kerze auf dem Kuchen zunehmend penetranter im Hinterkopf auf.


An genau diesem Punkt befindet sich auch die Hauptfigur in Elisabeth Ranks neuem Roman "Bist du noch wach?". Rea ist Ende 20, arbeitet als Grafikerin in einer trendigen Agentur und lebt in einer tollen WG mit Hauskatze mitten in Berlin. Eigentlich könnte man meinen, dies seien beste Vorraussetzungen, um mit dem eigenen Lebensweg mehr als zufrieden zu sein. Doch in Rea sieht es ganz anders aus: Ihre beiden Mitbewohner, die bisher wie eine kleine Familie für sie gewesen sind, lassen sich immer seltener zuhause blicken. Vor allem die steigende Abstinenz ihres besten Freundes und Mitbewohner, Konrad, nagt an Rea. Früher haben die beiden alles geteilt, kannten einander in- und auswendig. Jetzt arbeitet er tagtäglich bis spät in die Nacht oder übernachtet direkt bei seiner neuen Freundin. Gespräche führen die Zwei kaum noch. Stattdessen wandeln sie wie Fremde in der Wohnung aneinander vorbei. Und so bekommt Konrad auch nicht wirklich mit, wie schlecht es um Reas Seelenleben steht. Der Vater liegt schwer krank auf der Intensivstation. Wie lange er noch zu leben hat, weiß niemand so genau. Mutter und Tochter kommen einander nur selten nahe. Die beste Freundin ist ebenfalls viel unterwegs und scheint oft nur übers Telefon greifbar. Rea ist allein.


Elisabeth Rank zeichnet mit ihrem aktuellen Roman das feinfühlige Porträt einer jungen Frau, das stellvertretend für eine ganze Generation steht. Ohne unnötigen Pathos und Kitsch blickt Rank fast schon nüchtern auf ihre Figuren und verknüpft uns unmittelbar mit Reas Gedankenwelt. Ihre Bedrückheit, die Sorgen, die auf ihr lasten, scheinen von der ersten Seite an greifbar. Das Unvermögen ihre Gedanken in Worte zu fassen, schwingt von Anfang an mit.


Mit Ende 20, Anfang 30, so sagt man uns, seien wir erwachsen. Doch was, wenn wir dazu noch gar nicht bereit sind. Was, wenn wir noch nicht loslassen wollen vom beschwingten Leben, an dem an jedem Tag etwas Neues, Einzigartiges passieren kann und in dem unsere Freunde irgendwie immer bei uns sind. Umso bitterer erscheint dann die Erkenntnis, dass dieser Lebensstil irgendwann tatsächlich ein Ende zu haben scheint und man selbst gar nicht bekommen hat, wann eigentlich alles gekippt ist. Diesen Punkt, an dem die Party sozusagen vorbei ist und der graue, triste Alltagstrott uns hinter der nächsten Ecke perfide auflauert. Die Angst, sich selbst zu verlieren und all jene, die einem so sehr ans Herz gewachsen sind, ist etwas, das es vermag, einen innerlich aufzufressen. Wer resigniert hat verloren. Doch scheint das manchmal irgendwie der einzige Weg, um mit der eigenen Überforderung all dem gegenüber umzugehen.
Rank erzählt genau davon und schafft es, dass wir alle am Ende ein Stück Rea in uns selbst erkennen.