Serientipp: GIRLS

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Manhattan jenseits des schönen Scheins oder: weil wir das Echte mögen
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Es waren einmal vier Freundinnen, die lebten in der aufregendsten Stadt der Welt: Manhatten. Sie alle einte eine enge, tiefgreifende Freundschaft. Außerdem hatten sie jede für sich den persönlichen Traumjob, prall gefüllte Kleiderschränke mit den schönsten Textilien, die man sich nur wünschen konnte und ein wildes ausuferndes Sexleben.
So in etwa ließe sich wohl „Sex and the City“ jenes Traumkonstrukt im Groben beschreiben, dass Anfang der 2000er Jahre das Herz zahlreicher weiblicher Zuschauerinnen höher schlagen hieß.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 2012, Carry hat ihren Mr. Big geheiratet und spätestens seit dem zweiten Kinofilm wissen wir: Die Damen sind alt geworden. Statt Sex und Selbstverwirklichung stehen nun Mamaalltag und Menopause im Vordergrund. Wir wussten, dass diese zuckersüße, rosa Blase, mit der man uns das tägliche Leben in Big Apple vor Augen führte nicht ewig währen konnte. Und ehrlich gesagt, wollten wir das überhaupt?
Nun, mitten in einer Zeit der vermeintlichen Ernüchertung, in der andere Hochglanzserien, wie „Gossip Girl“ allmählich im Sog der Eintönigkeit von der Bildfläche verschwinden, taucht aus der Schmiede HBOs etwas auf, das sich in Windeseile zum Liebling zahlreicher Serienjunkies etabliert hat. „Girls“ heißt die Serie und kaum ein anderes televisuelles Machwerk scheint den Nerv der Zeit derzeit pointierter zu treffen.
Im Mittelpunkt auch hier vier junge Frauen und ihr Alltag in Manhatten. Auch sie vier unterschiedliche Charaktere, wobei jede für sich das nötige Identifikationspotenzial bietet. Der Unterschied: Jegliche Form von Hochglanz ist verschwunden. Das Geld ist knapp, die Jobs genauso. Die Wohnungen keine ins Detail durchstilisierten Tempel und der Sex ist authentisch, ungeschönt und manchmal sogar ziemlich verstörend.
Folge eins setzt damit ein, dass Hannah´s Eltern ihrer Tochter eröffnen, sie nun nicht mehr länger finanziell auszuhalten. „Pam“ ein Schlag mitten ins Gesicht, den wohl jeder von uns in der ein oder anderen Weise kennt und der die junge Nachwuchsschreiberin ziemlich unvorbereitet dazu forciert, sich dringend einmal Gedanken um das eigene finanzielle Auskommen zu machen. Doch wieso verzweifeln, wenn man es erst einmal damit versuchen kann, sich bei seinem eher eigenwillig, kauzigen Hipster-Fuck-Buddy durch Sex abzulenken. Das Ergebnis ist eine halbnackte, in groteskter Haltung auf dem Sofa knieende Hannah, die verwirrt auf Adams Rückkehr aus dem Bad wartet.
Und so beobachten wir über insgesamt zehn Folgen, wie sich Hannah, Marnie, Jessa und Shoshanna tagtäglich aufs Neue durch ihren Alltag schlagen. Den Kampf aufnehmen, mit Geld- und Geltungsmangel, der eigenen Jungfräulichkeit, zu lieben-anhänglichen Herzensmännern, verkorkst-undurchsichtigen Halbaffären und alles, was einem eben noch so alles über Weg und Leber laufen kann. Abends zelebrieren die vier Freundinnen das Vergessen bevorzugt auf verruchten Untergrundpartys in abgewrackten Lagerhallen und fliehen vor der Eintönigkeit des Seins, durch den ein oder anderen Drogenrausch.  Gibt es ein Problem unterstützen sich die vier zwar stets gegenseitig, doch heißt das noch lange nicht, dass hier nicht auch einmal ehrlich über die Macken der jeweils anderen hergezogen wird. Denn die „Girls“ sind im Gegensatz zu den Elfen aus „SatC“ keine auf Hochglanz polierten Geschöpfe. Sie sind junge Frauen, mit Ecken und Kanten, Unsicherheiten, zu großen Egos, Gewichtsproblemen, realistischen Geldsorgen und, und ,und.
Lena Dunham, selbst Jahrgang ´86, spielt in Girls nicht nur die Hauptrolle, sie hat auch die Regie geführt. Für ihren ungeschönten Blick auf ein heranwachsendes Prekariat in einer der pulsierendsten Metropolen des Planeten, wird sie derzeit von allen Seiten verehrt, bewundert und bereits als eine Art Andy Warhol unserer Zeit gefeiert. Doch mann muss gestehen, dass Dunham wohl in keinster Weise ihrem Alterego Hannah Horvath gleicht. Während ihre Rolle sich eher durch ein klein wenig Naivität und mangelnden Weitblick auszeichnet, eröffnet sich bei einem genaueren Blick auf die reale Person dahinter das Bild einer überaus klugen, findigen Frau und Regisseurin, die mit beeindruckendem Feingefühl das Bedürfnis nach Authentizität und Bodenständigkeit in einer uns zunehmend überfordernden Welt bedient.
Denn sind wir mal ehrlich: So sehr wir unsere Umwelt auch manchmal gerne durch die rosarote Brille sehen möchten: am Ende wissen wir doch ziemlich genau, dass man sich mit einer journalistischen Tätigkeit sicherlich nicht einen ganzen Schrank voll Manolo Blahnik Schuhe leisten oder Tag für Tag schick essen und feiern gehen und am Monatsende auch noch die Miete für eine Zweizimmerwohnung in Manhatten aufbringen kann.
Wir brauchen kein alles einnehmendes Happyend, stattdessen sind wir froh jeden Tag aufs Neue einigermaßen gemeistert zu haben und dabei ein wenig Spaß nicht zu kurz kommen zu lassen.