Musicwatch: Die Heiterkeit

lola
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Zwischen Mädchen-Pop und Melancholie.
Fotos: Alina Simmelbauer

Hei|ter|keit, die. Substantiv, feminin. Bedeutung: Durch Lachen o. Ä. nach außen hin sichtbar werdende fröhliche, aufgelockerte Stimmung; [lautes] Gelächter. Schlägt man im Duden den Namen der Band Die Heiterkeit nach, die vor kurzem ihr zweites Album Monterey auf dem Hamburger Label Staatsakt veröffentlicht hat, wird man einerseits auf den geläufigen, erheiterten Sinngehalt des Wortes stoßen - andererseits wird man damit schlagartig vor ein Rätsel katapultiert. Was haben ein Smiley, der nicht lachen möchte (das Logo der Band), Hymnen, die sich anhören wie Trauermelodien, und drei düster dreinblickende Mädels mit Heiterkeit, Frohsinn und Euphorie zu schaffen? Nach Erklärungen lässt sich vielerorts suchen, sind Stella Sommer, Rabea Erradis und Anna-Leena Lutz doch gerade in aller Munde. Eine Nation/Generation sucht sich selbst und findet sich wieder in drei fragend-fordernd-argwöhnisch-selbstbewussten Mädchen - Mädchen im Sonntagskleid, mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, "Daddy's Girl", mit allen Heiratschancen und einer gesegneten Zukunft. Wären sie da nicht gerade der elterlichen Obhut entflohen und würden von nun an auf all dies gut und gerne verzichten wollen, strotzend vor Rebellion und Gleichgültigkeit. 

 

Bestandsaufnahme: Sommer und Erradis lernen sich 2009 in Hamburg kennen und gründen ein Jahr darauf mit Stefanie Hochmuth eine Band, ganz ohne Single- oder Auftrittserfahrung und ganz ohne Bandnamen. Ihr Projekt halten sie anfangs erfolgreich unter Verschluss, machen sich rar und erst, als kurze Zeit später Name und Logo gefunden sind, gibt es Musik zu hören und sie veröffentlichen eine erste unbetitelte EP mit Songs wie "Alles ist so neu und aufregend" und "Die Liebe eines Volkes hat mich zur Königin gemacht". 2012 erscheint zusammen mit Ja,Panik! eine Split-EP, auf dem sich beide Bands gegenseitig covern, wenig später kommt das Debütalbum Herz aus Gold und Berichte über Berichte, in denen man sie immer wieder als Next-Big-Thing bezeichnet. Dann ist es auf einmal recht ruhig um die Band – bis sie vor kurzem wiederkehren, mit der neuen Schlagzeugerin Anna-Leena Lutz hinter den Drumsticks und dem zweiten Album Monterey im Gepäck. 

 

 

Wie klingt nun also das neue Album? Nun, es scheint, als hätte Sommer den mohnblumenroten Lippenstift gegen einen weinroten ausgetauscht und ihrer düsteren Stimme damit noch mehr Schwärze und unbeteiligte Verzagtheit eingehaucht. Wo sie früher bereits mit Nico verglichen wurde und Assotiationen zur Hamburger Schule wachrüttelte, wirkt sie nun wie eine neue Marlene Dietrich und singt sich damit ganz tief in unsere ernüchterten Seelen. Der Bass ist langsamer, die Keyboardmelodien zugänglicher, die Songs noch gestandener. Textzeilen wie "Du wartest am Ende, du wartest im Licht. Du wartest, du wartest, du wartest auf mich", (Kapitän) zeugen von Substanz und Attitüde. Kein Platz für gebrochene Herzen, Tragik und Liebeslieder, an ihrer Stelle Unempfindlichkeit, Stärke und in dem Fall fast heitere Gemütsruhe.

 

Ob Monterey auch wie die kalifornische Küstenstadt Monterey klingt, können wir nicht sagen, denn wir waren noch nie dort. Was wir aber wissen: Die drei Pferde in der malerischen Steppen-Landschaft auf dem Cover des Albums fügen sich wie selbstverständlich in den Widerspruch zwischen Lebensfreude und gesungener Lethargie, zwischen Mädchen-Rock und Pony-Pop. Wir wünschen uns mehr Mädels wie Die Heiterkeit; rigorose, selbstsichere, charakterfeste, rosige und manchmal eingebildete Mädchen mit einem Hang zum Understatement. 

 

 

    AUTHOR:
    LOLA

    Modemädchen durch und durch.

    Minimal Chic und New Sports ist ihr Metier, über Normcore und andere Phänomene der Mode kann sie nickend Romane erzählen und trotz Totalausfall beim Anblick der neuesten Laufstegbilder und Lookbooks ist die Dame nicht auf das Köpfchen gefallen. Lola liebt Kopenhagen und Kafka, hat eine Schwäche für Männermode und Musikhits, ist aber auch für Kunst und Kitsch zu haben.