MUSICWATCH: Lykke Li - I Never Learn

lola
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Love me like I'm not made of stone.

Wie viele der zahlreichen Ratgeber, Magazin-Dossiers oder "Sex And The City"-Folgen braucht es, um etwas über die Liebe zu lernen? Wie oft muss man selbst kurz davor stehen, sie dann doch verpassen, es selbst verbocken, den Satz "Es liegt nicht an dir" hören, unangenehme Ich-weiß-nicht-wie-ich-ihm-ihr-jetzt-gegenübertreten-soll-Situationen überstehen oder sie doch eine Zeit lang selbst austesten, sich fallen lassen mit der Ungewissheit, ob da wirklich jemand sein wird, der einen auffängt? Die Liebe, sie ist das Ziel, dessen Erreichung wir uns am kontinuierlichsten von allen herbeiwünschen - und für das wir am wenigsten bereit sind, etwas zu tun. Nach dem ersten Meter machen wir bereits schlapp und wer über die Zielgeraden hinauskommt, merkt schnell, dass es dort gar nicht so bequem ist wie gedacht. Ein gebrochenes Herz und Einsamkeit scheinen das Einzige zu sein, das mit Sicherheit auf uns wartet. Denn letzten Endes ist nicht die Liebe das, was übrig bleibt, sondern allein wir und die große, innige Beziehung zu uns selbst. 

 

Auch Li Lykke Timotej Svensson Zachrisson hat diese Erfahrung gemacht. Als sie vor sechs Jahren den Vertrag für drei Platten unterschrieb, war sie gerade mal 21 Jahre alt. Sie war voller Energie, fast mädchenhaft und hatte viel zu erwarten von der Welt, vor allem von der Liebe. Von ihr wusste sie wahrscheinlich genauso viel wie wir alle in diesen Alter, hatte das verklärte Bild, das uns Mädchen mit "Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende", Disney und zu vielen Hollywoodfilmen bereits seit dem Latzrockalter eingeflößt wird. Happy End, komme was wolle. Genauso happy und lebensbejahend hörte sich auch Lykke Li's Debüt Youth Novels an; eine Bestandsaufnahme ihrer jungen Gefühlswelt mit allen Höhen und Tiefen, manchmal zwar traurig, aber niemals gebrochen. 2011 erschien Wounded Rhymes, das ihr großen Erfolg bescherte. Der Remix von "I Follow Rivers" wurde zum Radio-Dauerbrenner und "Youth Knows No Pain" zur Hymne einer Generation. Hier hörte man Leidenschaft und Aufopferung - für die Liebe.

 

 

Drei Jahre später scheint dieses Kapitel mit I Never Learn hinter Lykke Li zu liegen. Das Mädchen ist zur Frau geworden und hat all den Schmerz und die Traurigkeit durchlebt, die der Liebe als Schatten anhaften. "My one heart hurt another, so only one life can't be enough. Can you give me just another for that one who got away." und "Even though it hurts, even though it scars. Love me when it storms, love me when I fall. Every time it breaks, every time it storms. Love me like I'm not made of stones." zeugen von der Erkenntnis, dass Liebe nicht mehr so unbeschwert ist wie damals. Sie ist niemals einfach, tut verdammt weh und macht zerbrechlich. Sie ist alles, was man will und nicht aushalten kann. Es ist die Hingabe zu Schmerz, Schwäche und Scham, die hier hörbar wird.

 

Lykke Li hat ätherische Balladen komponiert, in denen sie sich mit den eigenen Gefühlen und dem durchlebten Leid auseinandersetzt und reflektiert. Akustische Gitarren und ausufernde Streicher- und Orgelbegleitung klingen nach dem vollen Programm Liebeskummer. Und zeigen den Widersatz, den man auch im Leid durchlebt: Auf der einen Seite stehen Weltschmerz, Einsamkeit und Zukunftsangst, verbunden mit der vollkommenden Distanzierung zur Liebe und Resignation; auf der anderen Seite blühen da Hoffnung, Bereitschaft und die Erkenntnis, dass man es beim nächsten Mal nicht besser machen wird. Man hält der Liebe dennoch alle Türen offen. Diese Inkonsequenz zwischen Sehnsucht und Ernüchterung ist es, die das Album so greifbar machen. Dem ist sich auch die Schwedin bewusst und flößt dem Album damit einen Hauch Ironie ein, der den Songs Kanten verleiht. I Never Learn ist die richtige Platte für all jene, die in den Qualen einer zerbrochenen Liebe aufgehen wollen, die weinen möchten, um daran zu wachsen. Oder aber für alle diejenigen, die ein Faible für wirklich gut komponierte und stimmige Arien haben.

 

Eine Sache ist übrigens auch herauszuhören: Die Vorahnung auf die wahre und einzige Liebe, die, wenn sie da ist, kraftvoller sein wird als alles, was vorher dagewesen ist. Kitsch und Utopie hin oder her. Vielleicht ein Thema für das nächste Album. 

 

    AUTHOR:
    LOLA LOUD

    Modemädchen durch und durch.
    Minimal Chic und New Sports ist ihr Metier, über Normcore und andere Phänomene der Mode kann sie nickend Romane erzählen und trotz Totalausfall beim Anblick der neuesten Laufstegbilder und Lookbooks ist die Dame nicht auf das Köpfchen gefallen. Lola liebt Kopenhagen und Kafka, hat eine Schwäche für Männermode und Musikhits, ist aber auch für Kunst und Kitsch zu haben.