Musikwatch: OK GO

laura
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Die Videotüftler sind zurück
Screenshots via Youtube & Vimeo

In Zeiten von Bewegtbild und Internet gibt es so einige Möglichkeiten, um sich die öffentliche Aufmerksamkeit zu sichern. Fast könnte man sagen, Warhols Zitat dass jeder Mensch in Zukunft 15 Minuten Berühmtheit erlangen könne, habe hierin seine Erfüllung gefunden. Oft braucht es dazu nicht einmal viel. Eigentlich genügen ein paar kleine Taten, die geschickt kombiniert manchmal ein großes Ganzes ergeben, manchmal aber auch einfach nur erstaunlich, lustig oder schlichtweg dämlich sind. OK GO sind ein solches Phänomen des Internetzeitalters. Denn mal ehrlich, Bands mit einschlägigem Indiesound gibt es zuhauf und die Konkurrenz ist groß, erst Recht in den USA. Wer sich hervorheben will braucht also entweder Geld, um die große Medienmaschinerie in Schwung zu bringen oder etwas, das einen besonderen Wiedererkennungswert hat. Gesagt, getan. Und damit war ein grandioses Video geboren. Die Zutaten: Vier Laufbänder, eine Kamera, vier sehr motivierte Herren sowie eine gut einstudierte Choreographie. Das Ergebnis landete mit einem Schlag in den Hitlisten von Youtube und Co. Und auch heute dürften wohl die meisten noch den Track „Here it goes again“ mit penibel getaktetem Laufbandgehopse verbinden. Doch was kommt danach? Einfach weiter Musik machen und auf schnöde 08/15 Clips umsteigen? Oder lieber getreut dem Motto "Schuster bleib bei deinen Leisten" sich von nun an auf den Look des Besonderen konzentrieren? OK GO haben sich für letzteres entschieden und sich ihre kreativen Selfmadevideos zum Markenzeichen gemacht.  

 

 

Es folgte der Clip zu „To Shall Pass“, bei dem die Jungs in einer riesigen Lagerhalle eine gefühlt noch größere Kettenreation in Gang setzen, bei der es von Dominosteinaction über kleine silberne Kugeln in Holzbahnen bis hin zu einem aufblasbaren OK-Zeichen an nichts fehlte. Und auch die Superbowl-Pause haben die vier Indiemusikern den Amerikanern bereits versüßt. Wir wissen wahrscheinlich alle von der medialen Relevanz dieses Footballmatchs und erst recht, wie sehr sich die Unternehmen nach den begehrten Sendeplätzen in der Halbzeit die Finger lecken. Klar, dass es da nicht mit dem obligatoischen Standardclip getan ist. Nein, da muss schon etwas Großes her. Also setzte ein bekannter Automobilhersteller die vier musikalischen Tüftler kurzerhand in eines seines Fahrzeuge ... Und siehe da, wer hätte gedacht, dass man mit einem rollenden Untersatz, ein paar (vielen) Musikinstrumenten sowie diversen anderen Gadgets wirklich einen musikähnlichen Sound erzeugen kann, der einem auf einmal so gar nicht mehr vorkommt wie Werbung.

 

Seit letzter Woche melden sich OK GO schließlich mit ihrem neuesten Video zurück. Wie nicht anders zu erwarten, bleiben sie ihrem Stil auch dieses Mal wieder treu. „The Writings on the Wall“ verzückt mit genialen optischen Täuschungen, die mal in Form von Farben, mal als Spiegel und dann wieder als eine geschickte Anordnung von Pappflächen daherkommen. Fast fühle ich mich dabei ein wenig an die eigene Kindheit erinnert. Kennt ihr noch den "Künstler" aus der Sendung Art Attack, der es mit farbigen Gegenständen vollbrachte sogenannte "Riesenbilder" zu formen? Wenn nicht, schaut euch den Clip an und ihr werdet sehen, was ich meine. In jedem Fall bietet "The Writings on the Wall" knappe vier Minuten pures Sehvergnügen, das in so manchem wahrscheinlich den inneren Tüftler wecken dürfte.

 


Da verzeihen wir es den Jungs auch fast, dass ihre Musik dahinter fast ein wenig untergeht. Denn wenn wir wirklch ehrlich wären, müssten wir ohnehin zugeben, dass der Sound selbt nicht neu ist und die Songs untereinander im Ohr doch einen ziemlich ähnlichen Klang haben. In wie weit der Wiedererkennungswert jenseits des visuellen Spektakels noch gegeben bleibt, das ist eine andere Frage. Fakt ist: Diese Bildkünstler — wie ich sie an dieser Stelle einmal nennen möchte — stecken ein solches Herzblut in ihr Schaffen, dass man sie allein schon aus diesem Grund sympathisch finden muss. Denn während viele Musiker sich heute dem Business anpassen, und uns ihre Songs wie Tütensuppe, irgendwo zwischen fad und Glutamat getränkt um die Ohren klatschen, nehmen sich diese Jungs hier Zeit, dem Ganzen eine adäquate Plattform zu bieten. Umso schöner, dass sie dabei nicht die vielen helfenden Hände verbergen, sondern all den Personen, die im Hintergrand agieren, am Ende eines jeden Videos die gebührende Anerkennung zukommen lassen und ihnen damit sozusagen einen Bruchteil ihrer 15 Minuten Ruhm bieten.

 

 

 

 

 

    AUTHOR:
    LAURA SODANO

    Lebe lieber ungewöhnlich.

    Mode. (Pop-)Kultur. Feminismus. Was für die einen nach Schizophrenie par Exellence klingen mag, ist für sie selbstverständlich. Die Dame, die mindestens so gerne und schnell redet, wie sie denkt, sprudelt nur so vor kreativem Kopfchaos, von dem ihr Umfeld selten verschont bleibt. Sprache ist ihr Medium. Das nuancierte Spiel mit pointierter Artikulation ihre Waffe. Schokolade ihr Laster. Bei Mode und Literatur setzt ihr Verstand nur zu gerne aus.